Der Schutz von Landschaften über rechtsförmlich ausgewiesene Land-schaftsschutzgebiete (LSG) gehört in Mecklenburg – Vorpommern zum Aufgabenbereich der Landkreise: Für den Erlass und den Vollzug der LSG-Verordnungen ist der Landrat als untere Naturschutzbehörde zuständig.
Landschaftsschutzgebiete sind fast schon ein „historisches“ Instrument des Naturschutzrechtes mit langer Tradition, was sich auch darin widerspiegelt, dass sie deutschlandweit flächenmäßig den größten Anteil aller naturschutzrechtlichen Schutzgebietskategorien einnehmen. *
Beispielsweise geht das heutige LSG „Schweriner Außensee“ im Landkreis Nordwestmecklenburg in Teilen bereits ursprünglich auf eine Verordnung vom 28. Oktober 1937 zurück.
Lange Zeit – bis zum Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) im Jahre 1987 (bzw. 1990 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR) - standen der Schutz des Landschaftsbildes und die Erholungsvorsorge im Vordergrund der Schutzbestrebungen.
So waren die ersten Möglichkeiten der Unterschutzstellung von Landschaft nach dem Reichsnaturschutzgesetz (1935) dem Abschnitt zur Pflege des Landschaftsbildes zugeordnet. Von der Landschaft sollten verunstaltende, die Natur schädigende oder den Naturgenuss beeinträchtigende Änderungen ferngehalten werden.
Erst mit dem Bundesnaturschutzgesetz wurde die Palette der möglichen Schutzzwecke den tatsächlichen Schutzerfordernissen entsprechend erheblich erweitert. Die traditionellen Schutzziele werden jedoch nach wie vor gleichberechtigt berücksichtigt.
„Landschaft ist der Totalcharakter einer Erdgegend."
Alexander von Humboldt
Ein wenig im Sinne dieser Definition Alexander von Humboldts befasst sich Landschaftsschutz zwar nicht mit allen, jedoch mit sehr umfassenden und wesentlichen Facetten und Funktionen von Landschaften.
Mögliche Schutzinhalte sind in § 23 des Landesnaturschutzgesetzes festgelegt: Sie beziehen sich zunächst auf die Erhaltung, Wiederherstellung oder Entwicklung der Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder der Nutzungs- oder Regenerationsfähigkeit der Naturgüter.
Übliche Festsetzungen hierzu sind innerhalb einer Landschaftsschutz-gebiets-Verordnung (LSG-VO) z. B. solche zum Schutz von Bereichen mit hohem Arten- und Lebensraumpotenzial, von Flächen mit besonderen Funktionen im Biotopverbund (wie z. B. entlang des „Grünen Bandes“) und Entwicklungsziele für einzelne Bereiche auf der Basis der Gutachtlichen Landschaftsplanung
Überblick Landschaftsplanung - LUNG M-V
Häufig werden auch Festsetzungen zum Umgebungsschutz für angrenzende bzw. innerhalb der LSG liegende Naturschutzgebiete getroffen und unterstützende Schutzzweckbestimmungen für dem Europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000 Schutzgebiete nach europäischem Recht - LUNG M-V ) zugehörige Flächen formuliert, z. B. für Regelungen zum Erhalt der Rastplatzfunktion von Offenlandflächen für Zugvogelarten.
Ebenfalls zu dieser „Schutzzweckkategorie“ gehören Regelungen zum lokalen Schutz der biologischen Vielfalt.
Punktuell sind auch Festsetzungen für den direkten Artenschutz möglich, so z. B. für ausgewählte Pflanzenarten, für die gemäß Florenschutzkonzept M-V (Florenschutzprogramm - LUNG M-V) im Gebiet ein besonderer Handlungsbedarf besteht.
Hinsichtlich der Nutzungs- und Regenerationsfähigkeit der Naturgüter (Boden, Wasser, Klima, Luft, Tiere und Pflanzen) sind z. B. auch Regelungen zum Erhalt der Wasserqualität der Oberflächengewässer, zum Schutz besonderer Bodenfunktionen (z. B. Speicherfunktion von Nieder-moorböden) und zur Berücksichtigung lokalklimatischer Funktionen (z. B. Frischluft- und Kaltluftentstehungsgebiete) möglich.
Der Schutz kann sich auch auf geomorphologische Besonderheiten mit landeskundlicher Bedeutung beziehen wie z. B. Steilküsten-abschnitte - so liegt mit einer Länge von ca. 13 km einer der längsten zusammenhängenden Steilküstenabschnitte in M-V im Landkreis NWM -, markante Endmoränenbereiche, (inaktive) Binnendünenstandorte u. a. mehr.
„Was das Auge freut, erfrischt den Geist,
und was den Geist erfrischt, erfrischt den Körper.“ Pentrice Mulford
Landschaftsschutzgebiete können weiterhin wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes festgesetzt werden.
Dieser ursprüngliche Schutzgrund für LSG hat auch heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Schönheit, auch die der Landschaft, gehört zu den Grundbedürfnissen der Menschen, zur Lebensqualität und Lebensfreude („Schönheit als ‚Lebens-Mittel’“: TOBLACHER THESEN 1998.
Ein attraktives Landschaftsbild ist bekanntlich eine wesentliche Voraussetzung für Tourismus und Fremdenverkehr, spielt eine erhebliche Rolle im Bereich des alltäglichen Wohnens und ist auch durchaus ein „weicher“ Standortfaktor für die Ansiedlung von Betrieben in den Bereichen Gewerbe und Handel wie auch von Forschungs- und Wissenschafts-einrichtungen.
Für die Wahrnehmung des Landschaftsbildes und damit auch seinen Schutz ist eine gewisse Großräumigkeit erforderlich; über LSG ist ein solcher adäquater großräumigerer Schutz möglich.
Wesentlich für den Schutz sind die vorhandenen Elemente und Sicht-beziehungen, aber auch die Raumbildung in der Landschaft.
Auch auf ästhetisch besonders wertvolle Elemente (z. B. naturnahe Gewässer) und die „Leitlinien“ in der Landschaft (z. B. Waldränder, Alleen, Wege) ist beim Schutz besonders zu achten, da ihr Wert für das Gesamt-bild der Landschaft überproportional hoch ist (NOHL 2001).
Die Natur ist einer unserer wichtigsten „Erholungsorte“!
Dritter wesentlicher „Schutzgrund“ laut Landesnaturschutzgesetz ist die besondere Bedeutung eines Natur- und Landschaftsraumes für die Erholung.
Die Natur ist einer unserer wichtigsten „Erholungsorte“, ob am Feierabend, einfach mal zwischendurch, für einen Ausflug oder die Ferienerholung.
Den Erholungswert von Landschaften zu schützen und zu entwickeln, gehört deshalb zu den zentralen Schutzzwecken einer LSG-VO.
Gemeint ist hier ausschließlich die landschaftsgebundene Erholung, die Natur und Landschaft (vorrangig als Erlebnis) definitiv voraussetzt und die zum anderen naturverträglich ist, d. h. Natur und Landschaft durch ihre Ausübung nicht nachhaltig beeinträchtigt.
Daraus ergeben sich Kernaktivitäten der landschaftsgebundenen und naturverträglichen Erholung wie Schauen und Erleben, Wandern und Spazierengehen, Radfahren/ Radwandern, Baden und Schwimmen und auch Rudern und Paddeln (jeweils ohne besonderen Infrastrukturbedarf an baulichen Anlagen). Zur Erholung in diesem Sinne gehören auch natur- und landschaftsverträgliche sportliche Betätigungen in der freien Natur.
Grundbedürfnisse dieser Erholungsform sind Bewegung, Gesundheit und (ästhetische ) Erfahrung (NOHL 2001).
Wesentliche Faktoren, damit eine Landschaft „erholsam“ für uns ist, sind daher neben dem landschaftsästhetischen Wert des Gebiete auch Ruhe und Geruchsfreiheit, ein verträgliches Bioklima (z. B. das Schonklima der Wälder), unzerschnittenes Gelände und eine angemessene „Infrastruktur“ wie z. B. fuß- oder fahrradfreundliche, abwechslungsreiche Wege.
Soweit naturschutzrechtlich möglich, werden diese Faktoren vom Schutz-zweck der LSG-VO mit umfasst.
„Die Stille ernährt, der Lärm verbraucht.“
Reinhold Schneider
So soll z. B. auch die vorhandene Ruhe, die den Landschaftsraum charakterisiert, geschützt bzw. sogar verbessert werden, soweit dies über die Regelungen einer LSG-VO möglich ist. Dies betrifft z. B. den Ausschluss von Kfz oder Freizeitlärm aus den Erholungsbereichen.
Ruhe ist hier im Sinne von „akustischer Unaufdringlichkeit, die weniger von absoluter Stille als von sanften Naturgeräuschen geprägt ist "(BRÄMER 2000), zu verstehen.
Ein weiteres zentrales Anliegen in diesem Zusammenhang ist die Gewähr-leistung der Zugänglichkeit der Landschaft für die Allgemeinheit, wie sie von Artikel 12 der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern als Staatsziel festgeschrieben ist.
Eine entsprechende ausdrückliche Formulierung als Schutzziel der LSG-VO bildet die rechtliche Grundlage, um diesem wichtigen Gemeinwohlbelang der Erholungsvorsorge im konkreten Fall auch angemessen Rechnung tragen zu können (z. B. bei privaten Bauvorhaben).
Öfter mal Natur genießen!
Natur tut gut: Schon allein der Anblick einer schönen Naturszenerie beeinflusst nach neuen medizinischen Studien stimmungsaufhellend unsere Hirnströme, Hormone und Botenstoffe (BRÄMER in: MERTENS 2007), und „es ist wissenschaftlich erwiesen, dass der Blick über eine weiche, hügelige Landschaft Herzschlag und Blutdruck messbar senkt und damit zum Wohlbefinden beiträgt“ (SCHÄFFER in: MERTENS 2007).
Und so sollte die Ausschilderung der LSG im Landkreis Nordwestmecklenburg durchaus auch als ausdrückliche Einladung verstanden werden, selbst eine „schöne“ und interessante Landschaft zu erkunden und zu genießen!
Unzerschnittene landschaftliche Freiräume
Ein Markenzeichen Mecklenburg-Vorpommerns sind die noch vorhandenen großräumig unzerschnittenen landschaftlichen Freiräume. Sie sind unersetzbarer Lebensraum für zahlreiche selten gewordene Tierarten und eine wesentliche Voraussetzung für den Erholungswert der Landschaft. Auch zu ihrem Schutz soll das naturschutzrechtliche Instrument des Landschaftsschutzes gezielt eingesetzt werden
GLRP WESTMECKLENBURG - Download GLRP WM - LUNG M-V
Immerhin beträgt der Landschaftsverbrauch für Siedlungs- und Verkehrs-fläche lt. Datenreport 2006 des Statistischen Bundesamtes deutschland-weit ca. 115 ha/ Tag und ist damit noch weit entfernt von dem politischen Ziel der Bundesregierung, diesen Freiraumverbrauch auf ca. 30 ha/ Tag im Jahre 2020 zu begrenzen!
Die Größe eines LSG kann in Abhängigkeit vom Schutzzweck stark variieren. Es sind weiterhin auch Zonierungen und die Einbeziehung von Pufferzonen möglich.
Landschaftsschutzgebiete erstrecken sich fast ausschließlich nur auf den unbebauten Außenbereich; Ortslagen und Bereiche der verbindlichen Bauleitplanung der Gemeinden entsprechend den Flächennutzungsplänen, Bebauungsplänen und baurechtlichen Satzungen werden regelmäßig ausgegrenzt.
Neben dem Schutzzweck, der möglichst exakt auf die jeweiligen wert-gebenden Besonderheiten des Schutzgebietes zugeschnitten formuliert sein sollte, enthält jede LSG-VO auch sich aus diesem Schutzzweck ergebende Genehmigungspflichten und Verbote und hiervon freigestellte Handlungen.
So sind im Allgemeinen die ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft, Unterhaltungsmaßnahmen für z. B. Straßen, Wege, Fließgewässer, Versorgungsleitungen usw. weiterhin zulässig, ebenso wie alle bisherigen genehmigten und rechtmäßigen Nutzungen.
Mit der vorsorgenden Erhaltung, Pflege und Entwicklung wertvoller Landschaftsfunktionen und regionaler naturräumlicher Besonderheiten für die Allgemeinheit werden über den Landschaftsschutz wichtige Gemeinwohlbelange wahrgenommen.
Zugleich ist durch die Ausweisung einer LSG-VO bei entsprechender Einbindung in die räumliche Gesamtplanung und aktiver Förderung der Schutzziele auch ein positiver Beitrag zur Regionalentwicklung möglich.
* Deutschlandweit gab es im Dezember 2006 7.229 LSG mit einer Fläche von ca. 10,8 Mio. ha, was einem Anteil von ca. 30 % des Bundesgebietes entsprach, wobei allerdings flächenmäßige Überlagerungen mit den Schutzgebietskategorien der Naturparks, z. T. der Biosphärenreservate und mit inneliegenden NSG zu berücksichtigen sind. (Quelle: Bundesamt für Naturschutz 12/ 2006)
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es derzeit (Stand 04/ 2007) 142 LSG mit einer Gesamtfläche von 655.950 ha, was 21,2 % der Landesfläche (ohne die Flächenanteile, die zugleich NSG sind) entspricht. (Quelle: LUNG M-V)
Verwendete Literatur:
- BRÄMER, R.:Gibt es ein Recht auf Natur? Natur und Landschaft in der menschlichen Psyche, Marburg 2000,
- CARLSEN, C./ FISCHER-HÜFTLE, P.: Rechtsfragen und Anwendungs-möglichkeiten des Landschaftsschutzes, in: Natur + Recht 1993, Heft 7,
S. 311-320 - LANDESAMT FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND GEOLOGIE MECKLENBURG-VORPOMMERN (Herausgeber, ehemals Landesamt für Umwelt und Natur Mecklenburg-Vorpommern): Gutachterlicher Landschaftsrahmenplan der Region Westmecklenburg, Erste Fortschreibung September 2008
- LANGER, H., HOPPENSTEDT, A., MÜLLER, H., RIEDL, U., Scholle, B., PLANUNGSGRUPPE ÖKOLOGIE+UMWELT: Das Landschaftsschutzgebiet als Planungsinstrument eines umfassenden Landschaftsschutzes, Forschungsbericht des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Umweltplanung, Ökologie – (Vorhaben 101 09 010) UBA-FB 93-114 – im Auftrag des Umweltbundesamtes, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 1993
- MERTENS, M.: „Die Natur als Doktor“, Mannheimer Morgen, 28. April 2007
- MEßERSCHMIDT, K.: Kommentar zum Bundesnaturschutzgesetz, Vorschriften und Entscheidungen (Loseblattsammlung – Stand 08/ 2008), Verlag C. F. Müller, Hüthing GmbH & Co. KG, Heidelberg
- NOHL, Werner: Landschaftsplanung. Ästhetische und rekreative Aspekte, Patzer Verlag Berlin-Hannover, 2001
- SAUTHOFF, M., DR. BUGIEL, K., GÖBEL, N.: Landesnaturschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern (LNatG M-V) Kommentar (Loseblattsammlung – Stand 10/ 2006), Wiesbaden,
- WÖBSE, H. H.: Landschaftsästhetik, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2002
Autorin
Frau Anke Basse, Sachbearbeiterin im Sachgebiet Naturschutz und Landschaftspflege